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Fachkräftepotenzial im Osten weitgehend ausgeschöpft
Magdeburg/Dresden/Schwerin/Potsdam (dts) – Das Fachkräftepotenzial der ostdeutschen Flächenländer ist offenbar weitgehend ausgeschöpft. Das ergab eine Abfrage der dts Nachrichtenagentur bei den Arbeitsministerien von Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.
Aus Dresden hieß es, dass fast ein Fünftel aller Berufsgruppen als Engpassberufe eingeschätzt wird. Im Freistaat werden bis Ende des Jahrzehnts voraussichtlich rund 200.000 Personen im arbeitsfähigen Alter weniger leben, in Sachsen-Anhalt sind es sogar 300.000. „Für zwei Beschäftigte, die in Sachsen-Anhalt altersbedingt den Arbeitsmarkt verlassen, kommt derzeit nur eine junge, bereits hier lebende Person nach“, sagte ein Ministeriumssprecher. Auch Brandenburg geht von einer ähnlichen Entwicklung aus. In Mecklenburg-Vorpommern haben die meisten Unternehmen bereits Besetzungsprobleme bei Stellen für Fachkräfte: Besonders groß ist der Fachkräftebedarf in technischen und handwerklichen Berufen sowie im sozialen Dienstleistungsbereich, wie ein Ministeriumssprecher in Schwerin der dts Nachrichtenagentur sagte.
Zuvor hatte eine Studie des Ifo-Instituts für das Ministerium in Erfurt ein ähnliches Ergebnis für den thüringischen Arbeitsmarkt ergeben. Demnach werden in Thüringen bis zum Jahr 2035 altersbedingt etwa 385.000 Personen aus dem Arbeitsleben austreten, wovon etwa 138.000 Stellen nicht neu besetzt werden. Insofern sehen die Länder erhöhten Bedarf für Fachkräfte von außerhalb. „Unser Land ist deshalb auf Zuwanderung angewiesen“, sagte ein Ministeriumssprecher in Magdeburg der dts Nachrichtenagentur.
Deshalb begrüße man „ausdrücklich die Impulse, die durch die bundesseitig veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen einhergehen“, wie etwa das am Freitag beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Zudem werde man Beratungs- und Unterstützungsangebote ausbauen und weiterentwickeln, bei denen unter anderem in Lateinamerika medizinisches Personal angeworben werde. Mecklenburg-Vorpommern sieht in den Rückkehrern und Auspendlern wichtige Zielgruppen, auch weil die Fachkräftepotenziale aus dem EU-Ausland stellenweise schon ausgeschöpft seien. Für das sächsische Arbeitsministerium sind zudem gute Löhne und Arbeitsbedingungen wichtige Faktoren bei der Anwerbung.
Außerdem brauche es „passgenaue Qualifizierung“. In Potsdam wird unterdessen die im Koalitionsvertrag vereinbarte „strategische Anwerbeoffensive zur Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten“ vorbereitet, wie eine Sprecherin der dts Nachrichtenagentur bestätigte. Der Fachkräftemangel wird schon seit Längerem bundesweit diskutiert. Nach Einschätzungen des sächsischen Ministeriums treten diese Probleme aufgrund der demografischen Entwicklung in Ostdeutschland zuerst auf.
„Jedes Bundesland wird dafür Sorge tragen müssen, dass Fach- und Arbeitskräfte sich im eigenen Bundesland wohlfühlen und dort arbeiten“, hieß es aus Dresden. Unterschiedlich bewerten die Länder unterdessen ihre Chancen, Fachkräfte von außerhalb zu gewinnen. Die Ifo-Untersuchung hatte für Thüringen in dieser Frage eine schwierige Situation bescheinigt. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern schätzen das für sich ähnlich ein.
Brandenburg profitiert laut eigener Aussage von einer „starken Pendlerverflechtung“ mit dem Nachbarland Polen. Derzeit sind über 22.000 polnische Pendler sozialversicherungspflichtig in Brandenburg beschäftigt, vor zehn Jahren waren es noch 3.343. Sachsen sieht unterdessen eigene Vorteile bei der Industrie im Land. „Die laufende Transformation der Wirtschaft bietet die Chance, dass wir uns in Sachsen mit neuen Produkten und Technologien an die Spitze setzen“, so eine Sprecherin. In der Elektromobilität beispielsweise sei der Freistaat führend: „Im vergangenen Jahr kamen rund 40 Prozent aller in Deutschland produzierten E-Fahrzeuge aus Sachsen“, hieß es weiter.
Große, namhafte Ansiedlungen, aber auch eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen stellten für die Attraktivität Sachsens ein „riesiges Potenzial“ dar, auf dem man aufbauen könne und müsse.
Foto: Vermesser, über dts Nachrichtenagentur