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DIW hält Koalitionsvertrag für Klimaziel 2045 unzureichend
Berlin (dts) – Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die im Koalitionsvertrag von Union und SPD enthaltenen Maßnahmen für Klimaschutz für unzureichend.
„Gut ist, dass die Koalitionsparteien an den Klimazielen und der Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 festhalten wollen – es muss jedoch bezweifelt werden, dass das Klimaziel tatsächlich erreicht werden kann“, erklärte Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt im DIW Berlin. „Dies liegt im Wesentlichen daran, dass sowohl im Gebäude- als auch im Verkehrssektor Maßnahmen ergriffen werden sollen, die diese Ziele konterkarieren.“
Insbesondere die Abschaffung des Heizungsgesetzes sei problematisch. „Dies führt zu unnötigen Verzögerungen, zu Verunsicherung von Gebäudeeigentümern und zieht hohe Kosten nach sich“, so Kemfert. „Die angestrebten Maßnahmen lassen befürchten, dass gerade im Gebäudebereich die nötigen Emissionsminderungsziele nicht erreicht werden können, was Strafzahlungen nach sich ziehen würde.“
Auch im Verkehrssektor fehlten die nötigen Maßnahmen zur Emissionsminderung. „Zwar ist es zu begrüßen, dass Investitionen in Bahn- und Ladeinfrastruktur fließen sollen. Auch die Beibehaltung des Deutschlandtickets ist gut, wenn auch eine Preissenkung nötig wäre“, so Kemfert. „Zu begrüßen sind ebenso Sonderabschreibungen für Elektrofahrzeuge und gezielte Förderprogramme für Haushalte mit Niedrigeinkommen hin zu mehr klimafreundlicher Mobilität.“
Allerdings würden einige umweltschädliche Subventionen nicht abgeschafft, sondern erhöht, „wie etwa das Dienstwagenprivileg, die Rückvergütung von Agrardiesel oder aber die Senkung von Luftverkehrssteuern“, erklärte Kemfert. „Fliegen sollte nicht billiger, sondern teurer werden. Es fehlt ein dringend benötigtes Tempolimit, das nicht nur Emissionen senkt, sondern auch die Verkehrssicherheit stärkt.“
Die geplante pauschale Senkung der Strompreise hält Kemfert mit über 10 Milliarden Euro für unnötig teuer und ineffizient. „Die pauschale Senkung der Strompreise bevorteilt Unternehmen, die es nicht nötig haben. Zudem wird so das Ziel des vermehrten Stromsparens konterkariert“, sagte sie. „Statt einer pauschalen Entlastung mit der Gießkanne ist eine bedarfsgerechte Entlastung der stromintensiven Industrie wirkungsvoll.“
Auch der Bau von neuen Gaskraftwerken mit 20 Gigawatt erscheine „überdimensioniert und verhindert Flexibilität und Speicherlösungen“, erklärte die Ökonomin. „Der Markt sollte entscheiden, wie viel Kraftwerkskapazitäten tatsächlich benötigt werden. Ohnehin ist nicht ausgemacht, dass der Strompreis wirklich sinkt. Zum einen wirkt der geplante Zubau von Gaskraftwerken strompreissteigernd, da Gaspreise hoch sind und steigende CO2-Preise ebenso den Strompreis steigen lassen. Zum anderen können es, wie oft in der Vergangenheit, Stromkonzerne ausnutzen und die Margen erhöhen.“
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), kritisierte darüber hinaus, dass für die Erreichung des deutschen Klimaziels künftig auch Emissionsminderungen anderer Länder angerechnet werden sollen. „Mit der Öffnung des Klimaneutralitätsziels bis 2045 für schmutzige internationale Kompensationsgeschäfte, wird das deutsche Klimaschutzziel durchlöchert“, sagte er. „Wir werden weiter alle rechtlichen Mittel einsetzen, das Klimaschutzgebot des Bundesverfassungsgerichtes zu verteidigen.“
Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland, sieht „herbe Rückschritte“ in der Energiepolitik durch den Koalitionsvertrag. „Wenn die CO2-Verpressung CCS sogar für Gaskraftwerke gelten soll, manövriert uns dieser Vertrag in neue fossile Abhängigkeiten, bevor wir uns aus alten gelöst haben“, bemängelte er. „In der Verkehrspolitik ist die Fortführung des Deutschlandtickets ein Lichtblick. Anders die Vereinbarungen zur Autoindustrie: Hinter dem Schlagwort Technologieoffenheit wollen die Koalitionäre die europäischen CO2-Grenzwerte für Pkw aufweichen. Das schadet dem Klimaschutz und der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Autoindustrie.“
Wenn Friedrich Merz` neue Regierung Zukunft gestalten wolle, müsse sie bei Kima- und Naturschutz dringend nachbessern. „Das ist im Interesse der nächsten Generationen und wäre eine starke Antwort auf Trump und Putin“, so Kaiser.
Foto: Söder, Merz, Klingbeil, Esken am 09.04.2025, via dts Nachrichtenagentur
