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Deutschland & Welt
Kanzlerkandidaten liefern sich „Quadrell“ bei RTL
Berlin (dts) – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), CDU-Chef Friedrich Merz, Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck und AfD-Chefin Alice Weidel haben sich eine Woche vor der Bundestagswahl beim Privatsender RTL ein teilweise hitziges Fernsehduell geliefert. Dabei wurden die üblichen großen Themen der Zeit durchgearbeitet, unter anderem Migration, die Wirtschaftskrise, am Ende wurde es bei der Rente kurios, als Moderator Günther Jauch die Kanzlerkandidaten im Stil von „Wer wird Millionär?“ befragte.
Zunächst wurde heftig um Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern gestritten. Der Bundeskanzler bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, sich hierfür bereits intensiv engagiert zu haben. Es gebe eine Steigerung von 70 Prozent, sagte Scholz. Die Begrenzung der irregulären Migration solle intensiviert werden. CDU-Chef Friedrich Merz regte bezüglich Abschiebungen eine stärkere Zusammenarbeit mit den Taliban an, was wiederum Habeck empörte: „Das ist ein Terror-Regime“, hob er hervor. Stattdessen wollte er den Fokus stärker auf Integration legen. „Wir müssen die Menschen fördern, die bereits hier sind“, sagte er. AfD-Chefin Weidel störte sich am Begriff „irreguläre Migration“, sie wolle „illegale Migration“ bekämpfen, außerdem kritisierte sie unter anderem den Familiennachzug.
Mit Blick nach Österreich sagte Merz: „Wir müssen eine Zusammenarbeit mit der AfD mit allen Mitteln verhindern.“ Er wies den Vorwurf zurück, die sogenannte Brandmauer zu Fall gebracht zu haben und kritisierte diesbezüglich eine Wahleinmischung seitens der US-Regierung um Donald Trump und Elon Musk. Scholz gab zu Bedenken, dass man sich auf eine Distanz der Union zur AfD „nicht verlassen“ könne. Daraufhin reagierte Weidel empört und warf dem Kanzler vor, sie und die AfD-Wähler zu „beleidigen“. Merz griff Weidel daraufhin an und rügte unter anderem ihr Lob für Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Angesprochen auf eine frühere Aussage des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, dass die Nazizeit ein „Fliegenschiss“ in der deutschen Geschichte gewesen sei, wich Weidel aus und sagte knapp: „Fragen Sie ihn selbst.“
Im Bereich Wirtschaft forderte Merz eine Abschaffung des Lieferkettengesetzes und verurteilte erneut den Atomausstieg. Er behauptete, Scholz und Habeck seien beide für die „größte Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte verantwortlich“. Weidel sprach sich für gesenkte Energiepreise durch „Technologieoffenheit“ aus und gegen EEG-Subventionen. Habeck appellierte an mehr Zuversicht im Bereich Wirtschaft und forderte, Milliardäre stärker zu besteuern. Die von Einigen prophezeite Abwanderung von Unternehmen hielt er für wenig plausibel.
Scholz forderte Entlastungen für niedrige und mittlere Einkommen und bekräftigte, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel durchsetzen zu wollen. Er griff Merz scharf an, der vor allem Spitzenverdiener entlasten wolle. „Es verdient ja nicht jeder mittelständische Handwerksbetrieb fünf Millionen Euro im Jahr. Die würden sich bedanken, wenn es so wäre“, entgegnete der Sozialdemokrat auf den Vorwurf, die Steuern für den Mittelstand würden angesichts stärkerer Entlastungen für geringere Einkommen auf 60 Prozent steigen. Habeck griff Union und AfD an, die Ausgaben etwa im Bereich Militär massiv erhöhen zu, aber die Schuldenbremse nicht antasten zu wollen. Einen Angriff von Weidel, die erneuerbaren Energien würden die Preise steigen lassen, ließ er abtropfen und sagte: „Ich empfehle den Faktencheck.“
Merz wehrte die Frage, ob deutsche Soldaten irgendwann in die Ukraine geschickt werden könnten, um einen Waffenstillstand abzusichern, mit der Begründung ab, dass dafür erst die Voraussetzungen geschaffen werden müssten. Scholz stimmte ihm diesbezüglich zu, sah eine ausreichende Unterstützung aber an eine Reform der Schuldenbremse geknüpft. Weidel kritisierte, man provoziere Russland, indem man Taurus-Lieferungen an die Ukraine debattiere, Deutschland werde nicht mehr als „neutral“ wahrgenommen. Merz attackierte sie daraufhin und stellte klar: „Wir sind nicht neutral, wir stehen an der Seite der Ukraine.“
Gegen Ende konfrontierte RTL-Moderator Jauch die vier Kandidaten damit, dass alle Parteien beim Thema Rente den Menschen nicht die Wahrheit sagen würden, dass die Lebensarbeitszeit steigen muss. Wie in seiner Quizsendung „Wer wird Millionär?“ fragte er die Kandidaten, wieviel Prozent der Beamten bis zur gesetzlichen Altersgrenze arbeiten. Nur der Bundeskanzler wusste mit „20 Prozent“ die richtige Antwort und freute sich.
Inhaltlich lieferte er sich mit Jauch aber ein eigenes kleines Duell und kritisierte die vom Moderator zitierten Experten, wonach das Rentensystem früher oder später kollabiere. Dieselben Experten hätten nicht richtig vorhergesagt, dass das System noch immer funktioniere. Die Lösung sei, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen. Das forderte auch der Grünen-Kandidat Habeck, vor allem Frauen müssten mehr in Arbeit gebracht werden, dafür brauche es ein besseres Kinderbetreuungssystem, außerdem forderte er einen „Spurwechsel“ für Asylbewerber.
Dem widersprach Merz, der „Spurwechsel“ habe nicht funktioniert, Lösung sei hingegen eine wachsende Volkswirtschaft und eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge. AfD-Chefin Weidel forderte eine Steuerfreiheit für Renten und mehr Anreize für Hinzuverdientsmöglichkeiten. Das Pensionssystem für Politiker müsse abgeschafft werden.
Foto: `Quadrell` bei RTL am 16.02.2025, via dts Nachrichtenagentur
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