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SPD warnt vor populistischer Syrien-Debatte
Berlin (dts) – Die SPD warnt vor übereilten innenpolitischen Schlüssen nach dem Umsturz in Syrien. Mit Blick auf Äußerungen aus der Union warnte der SPD-Außenpolitiker Michael Roth „vor einer populistischen Debatte mit dem Tenor: Jetzt müssen alle sofort wieder zurück“.
„Ich fürchte, dass neben der AfD und dem BSW auch einige in der Union das im Wahlkampf fordern werden“, sagte Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, dem „Spiegel“. Das bereite ihm Sorgen. Sollte in Syrien wieder Frieden herrschen, stehe einer Rückkehr von Menschen, „die bei uns nie richtig heimisch wurden, nichts im Wege“
Die Mehrzahl der Syrer sei aber recht gut in Gesellschaft und Arbeitsmarkt integriert. Er wolle zudem nicht zu pessimistisch sein, „aber die Frage ist, wie sich die islamistisch-fundamentalistischen Gruppen verhalten“, so Roth.
Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt zeigte sich dagegen optimistisch, was die Zukunft Syriens angehe. „Hinter dem Umsturz stecken nach meinen Informationen nicht maßgeblich radikale Islamisten, sondern eine heterogene Gruppe von Oppositionellen und Kurden“, sagte Hardt dem „Spiegel“. „Das macht mir Hoffnung, dass die neuen Machthaber es schaffen, einen Staat aufzubauen.“ Eine zentrale Forderung an die Übergangsregierung müsse sein, dass es keine Abrechnung mit Assad-Unterstützern gebe.
„Es ist noch zu früh zu sagen, wo es hinläuft“, sagte der CDU-Politiker, „aber wir erwarten von den syrischen Flüchtlingen in Deutschland, dass sie in ihr Land zurückkehren, wenn es dort stabil ist.“
Daniel Thym, Migrationsrechtsexperte an der Universität Konstanz, forderte unterdessen als Konsequenz aus dem Umsturz die vorläufige Zurückstellung aller laufenden Asylverfahren von Syrern. „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sollte alle laufenden Asylverfahren von Syrern vorerst zurückstellen und nicht weiter bearbeiten“, sagte Thym der „Welt“. Die Situation sei viel zu volatil und es wäre nicht richtig, jetzt neu einreisenden Asylbewerbern einen Schutzstatus zuzusprechen, der ihnen einen legalen Aufenthalt sichere.
Bis die Situation in Syrien sich kläre, „sollte das Bamf sich auf die vielen anderen anhängigen Asylverfahren konzentrieren“. Es wäre hilfreich, wenn das Bamf und die Bundesregierung die vorübergehende Zurückstellung von Asylverfahren von Syrern öffentlich in mehreren Sprachen und auf verschiedenen Kanälen kommunizierten, um ein klares Signal auszusenden – „genauso, wie Bamf und Bundesregierung im Sommer 2015 die damalige Offenheit aktiv kommuniziert hatten“.
Thym sagte, dass die Entwicklung der Situation vor Ort völlig offen sei: „Gibt es neue Kämpfe zwischen den lose verbündeten Gruppen mit unterschiedlichen Zielen? Entsteht eine neue halbwegs funktionierende Regierung, oder kollabiert der syrische Staat im Sinn eines `failed state`? Welche Ausrichtung hätte eine halbwegs funktionierende Regierung, die immerhin islamistisch wäre – gingen von dieser neue Gefahren aus?“
Die Grünen fordern nach dem Sturz von Assad derweil eine harte Strafverfolgung von dessen Anhängern gefordert. „Die internationale Gemeinschaft muss dafür sorgen, dass alle Schergen des Assad-Regimes für ihre Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen endlich mit voller Härte zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger hat der „Welt“.
Zugleich warnte sie, es wäre „besonders bitter“, wenn nach Assads Sturz „nun andere die Macht übernehmen, die ebenfalls auf Unterdrückung, Radikalität und Grausamkeit setzen“. Hier seien jetzt alle Konfliktparteien in der Pflicht, diesen Prozess in der unübersichtlichen Lage so zu gestalten, dass Menschenrechte und gerade auch die vielen Minderheiten geschützt würden und er friedlich und inklusiv ablaufe.
Ein guter Ausgangspunkt dafür wäre aus Bruggers Sicht die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahr 2015. Diese sieht unter anderem den Einsatz für die Umsetzung und Aufrechterhaltung eines sofortigen landesweiten Waffenstillstands, freie und faire Wahlen, die Beendigung willkürlicher Festnahmen, die Freilassung aller unrechtmäßig Inhaftierten sowie gefahrlose Bedingungen für die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen vor.
Brugger: „Deutschland wird sich dafür mit Nachdruck einsetzen, und deshalb hat Außenministerin Baerbock sofort den intensiven Austausch mit den UN und unseren Partnern in der EU, der Quad und der Region begonnen.“ Quad ist die Abkürzung für den Quadrilateralen Sicherheitsdialog zwischen Australien, Indien, Japan und den USA.
Marcus Faber (FDP), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, sagte, der Sturz Assads sei „ein Hoffnungsschimmer für ein geschundenes Land und birgt eventuell die Perspektive, dass Syrer wieder in ihre Heimat zurückkehren“. Es gebe „eine echte Hoffnung für die Diaspora“.
„Sollte sich die Lage in Syrien wieder verschärfen, drohen Flüchtlingsströme. Auf solche Szenarien müssen sich die EU und Deutschland nun vorbereiten. So ein Chaos wie 2015 unter Angela Merkel darf es nicht mehr geben.“ Mit Blick auf die Miliz Hajat Tahrir al-Scham sagte Faber: „Das Bündnis hat sich in den letzten Jahren deradikalisiert. Dieser Prozess setzt sich hoffentlich fort.“
Foto: Syrer in Deutschland feiern den Sturz von Assad in Syrien am 08.12.2024, via dts Nachrichtenagentur